Sonntag, 6. Dezember 2015
Sonntag, 6. Dezember 2015
Schraubenberechnung nach VDI2230
Schrauben sind das am häufigsten eingesetzte Maschinenelement, und dennoch ist darüber recht wenig bekannt. Es gibt eine umfangreiche VDI-Berechnungs-Richtlinie, die sehr gut ist aber auch erst mal geübt werden muss.
Es gibt auch eine softwaretechnische Umsetzung dieser Richtlinie in Form des Schraubenberechnungs-Moduls in Kisssoft. Dieses setzt die Richtlinie sehr gut um, bringt aber mit der Möglichkeit, bestimmte Parameter zu variieren und die Ergbnisse sehr schnell im Verspannungsdiagramm visualisiert zu bekommen, weitere Vorteile mit sich.
Als erstes ruft man das entsprechende Modul aus „Schraubenberechnung“. Dann sieht man dieses Bild mit den 3 Reitern „Basisdaten“, „Verspannte Teile“ und „Vorgaben“.
Unter Basisdaten kann man erst mal unter verschiedenen Verschraubungssituationen auswählen. Für Flanschbilder mit mehren Schrauben sollte man unter Konfiguration „Schraubenverbindung unter Längs- und Querkraft“ eintragen. Es wird bei mehreren Verschraubungspunkten mit unterschiedlicher Lastsituation am besten die höchstbelastete Schraube berechnet. Wenn man sich nicht sicher ist welche das ist, dann sollten mehrere unterschiedliche Schrauben nachgerechnet werden.
Für Drehflansche, also Verschraubungen mit gleichmäßiger Verteilung der Schrauben auf einem Teilkreis kann die Schraubverbindung für bestimmte Drehmoment -und Biegebelastungen nachgerechnet werden. Dazu wählt man unter Konfiguration „Flanschverbindung mit Drehmoment und Kräften (mehrere Schrauben)“ aus.
In unserem Fall haben wir eine einzelne zentrische Schraube welche aufgrund einer Zentrierung keine Querkräfte abbekommt und auch nicht mit Drehmoment belastet wird. Deswegen wählen wir die Konfiguration „ Schraubenverbindung unter Längskraft“.
Unter Betriebsdaten geben wir die Belastungen auf die Schraube ein .... minimale Axialkraft und max. Axialkraft. Auch die notwendige Restklemmkraft und die für eine Gummidichtung notwendige Klemmkraft kann eingetragen werden.
Wichtig: eine Schraube überträgt Querkräfte rein reibschlüssig. Also ergibt sich deren ertragbare Querkraft aus der Klemmkraft mal Reibwert zwischen Schraubenkopf und Schraubfläche bzw. in der Trennfuge. Kommt die Schraube einmal ins rutschen und liegt formschlüssig an, wird die Schraube recht schnell abgeschert, da diese nicht für Scherung ausgelegt ist. Alle Lasten müssen sicher über Reibschluss übertragen werden können (Sicherheitsbeiwert „Sicherheit gegen Gleiten“).
Unter Schraubendaten wird der Nenndurchmesser z.B. 6 bei M6 usw. und die Schrasubenlänge eingetragen. Auch die Festigkeitsklasse anzugeben ist wichtig. Ist die eigene Schraube nicht unter Schraubentyp enthalten, so wählt man „Eigene Angabe“ ... damit lassen sich z.B. Flachkopfschrauben eintragen. Dabei ist der Antrieb (6-kant oder Torx) nicht wichtig. Die Länge des Schraubenschafts und damit die Gewindelänge kann mit dem Knopf „Definieren...“ eingestellt werden.
Unter Art der Verschraubung kann eingegeben werden, wo sich das Gewinde der Bohrung befindet. Schraube man direkt in das Bauteil oder wird eine Mutter verwendet? Dabei ist auch dieser Werkstoff wichtig.
Beim Anziehverfahren bestimmt die Streuung - also die Genauigkeit des Anziehverfahrens - wie hoch die Sicherheit ist, um der Belastung auch im ungünstigsten Fall standzuhalten. Das genaueste Verfahren ist streckgrenzengesteuert, das ungenaueste ist der Schlagschrauber. Je genauer das Anziehverfahren ist, umso mehr können die Reserven der Schraube ausgenutzt werden.
Unter Verspannte Teile werden die Dicke und der Werkstoff der zu verschraubenden Bauteile eingegeben. Gibt es rund um die Verschraubung den Schrauben-Durchmesser ausreichend Platz, so können „Platten“ ausgewählt werden. Sind die verspannten Bauteile eher dünnwandig und rohrförmig, so kann „Zylinder“ eingestellt werden. Hierbei werden näherungsweise die Umgebung der Schraubverbindungen mit in die Berechnung aufgenommen. Bei Platten kann sich der Versformungskegel voll ausbilden, beim Zylinder ist er praktisch nicht vorhanden. Diese Angabe ist wichtig, um die richtige Federcharakteristik zu ermitteln.
Unter Krafteinleitung kann aus 6 Fällen ausgewählt werden. Das wichtigste hierbei ist der Lastangriffspunkt auf die Verschraubung. Wirkt die Kraft einbaubedingt eher an der Trennfläche, also zwischen den Platten (beispielsweise bei Belastung mit Innendruck), so scheiden der Fälle SV1 und eventuell SV2 aus. Tritt die Belastung eher am Schraubenkopf auf, so kommt der Fall SV1 zur Anwendung. Auch die Dicke der Platten und damit das Verhältnis von radialem Fleisch im Werkstoff zu Dicke kann hierbei berücksichtigt werden. Gestrichelt ist der Verformungskegel angedeutet.
Unter dem Reiter Vorgaben wird die Ausnutzung der Streckgrenze eingetragen. Ein Modell geht davon aus, dass man immer nur bis zu 90% der Streckgrenze Re anziehen sollten, damit eine Betriebslast die Schraubverbindung immer noch im elastischen Bereich hält. Allerdings ist es praktisch schwierig, diesen Punkt zu finden und rechtzeitig das Anziehen der Schraube abzubrechen.
Ein anderes Modell geht davon aus, dass man immer bis zur Streckgrenze anzieht, welches man beim entsprechenden Anziehverfahren genau erkennen kann. Dabei wird immer das gesamte Vermögen der Schraubverbindung ausgenutzt und eine Lockerung der Schraubverbindung infolge der Betriebslast und damit plastischer Verformung in Kauf genommen. Unter dem Strich steht dabei immer noch mehr Klemmkraft zur Verfügung als beim 90%-Re anziehen.
Anmerkung: Alu-Schrauben werden beim Anziehen immer etwas plastifiziert, daher können diese nur einmal verwendet werden. Beim Lösen der Schraubverbindung (beispielsweise bei einer Repartatur) müssen zwingend neue Schrauben verwendet werden.
F_M ist die Montagevorspannkraft. Die Höhe hängt einerseits von der Geometrie und den Werkstoffeigenschaften der Verschraubung ab
- der Schraubengröße (M6, M8 usw.)
- Festigkeitsklasse der Schraube (8.8, 10.9 usw.)
- Verspannungssituation (Länge der Schraube, zu verschraubene Geometrie, Werkstoffdaten)
Dieses Verschraubungssystem kann bis max. 100% der Streckgrenze angezogen werden, das ist das maximal mögliche, da ein Weiteranziehen der Schraube eine plastische Verformung und eine bleibende Längung der Schraube zur Folge.
F_M kann damit unter Angabe der Ausnutzung der Streckgrenze (z.B. 90%) direkt skaliert werden. Soll alles aus der Schraube herausgeholt werden, so wird mit 100% angezogen.
F_M_min und F_M_max hängen vom Anziehverfahren ab. Je gröber das Anziehverfahren, also je größer die Streuung des Anziehmoments bedingt durch die Messgenauigkeit, umso größer ist die Differenz zwischen F_M_min und F_M_max (der Anziehfaktor gibt für F_M_max das Vielfache von F_M_min vor)
F_M_min ist dabei die minimal erforderliche Montagevorspannkraft, welche nötig ist, um die an die Schraubverbindung gestellte Betriebskräfte (Axialkräfte, Querkräfte, Restklemmkraft usw.) sicher zu erfüllen.
F_M_max ist F_M_min mal den Anziehfaktor. Unter einem gegebenem Anziehverfahren mit einer bestimmten Streuung wird damit immer so angezogen, dass die Betriebskräfte sicher ausgehalten werden.
F_k_erf ist die erforderliche Restklemmkraft, welche nötig ist um bei gegebenem Reibwert auch Querkräfte sicher übertragen zu können, ohne dass es zu Rutschbewegungen am Schraubenkopf bzw. in der Trennfuge kommt.
F_M_alpha ist F_M geteilt durch Anziehfaktor ... stellt also die Kraft dar, die F_M_min maximal haben darf. Dann nämlich ist die Verschraubung in der Lage mit diesem gegebenem groben Anziehverfahren immer noch die nötige Vorspannkraft aufzubringen.